Der Europäische Aal – ein gefährdeter Weltenbummler

Der Europäische Flussaal (Anguilla anguilla) gehört zur Ordnung der Aalartigen (Angulliformes) und wird der Klasse der echten Knochenfische (Osteichthyes) zugeordnet.

Er lebt als dämmerungs- und nachtaktiver Bodenfisch in fast allen Gewässern Nord- und Mitteleuropas. Es gibt kaum eine andere Fischart, welche so viele Besonderheiten aufweist. Durch seinen schlangenförmigen, lang gestreckten und fast drehrunden Körper ist er gut von anderen Fischarten zu unterscheiden. Ein langer Flossensaum vereint Rücken- Schwanz- und Afterflosse. Die Haut des Aals besitzt sehr kleine Schuppen. Diese fallen kaum auf, da sie von einer dicken Schleimschicht überzogen sind. Die Färbung der Oberseite kann zwischen dunkelgrün und schwarz schwanken, während der Bauch von gelb (Gelbaal) bis weiß (Blankaal) variiert. Aale haben einen sehr guten Geruchssinn. Das recht große Maul reicht bis unter die Augen und ist leicht oberständig ausgebildet, das heißt, der Unterkiefer ist etwas länger als der Oberkiefer. Die Breite von Maul und Kopf hängt mit der Ernährungsweise des jeweiligen Individuums zusammen. Es werden so genannte Spitzkopf- und Breitkopfaale unterschieden. Während Spitzkopfaale überwiegend Kleintiere, wie Würmer und Kleinkrebse fressen, ist der Breitkopfaal ein Fischjäger. Die prozentuale Verteilung beider Formen in einem Gewässer hängt ausschließlich mit dem vorherrschenden Nahrungsangebot eines jeweiligen Gewässers zusammen. Aale sind in der Lage, beachtliche Strecken über feuchtes Land zurückzulegen, denn sie können den lebensnotwendigen Sauerstoff auch über die Haut aufnehmen. Sie zählen zu den begehrtesten Speisefischen und wichtigsten Wirtschaftsfischen der Binnenfischerei.

Im Alter von 12 – 15 Jahren stellen Aale die Nahrungsaufnahme ein und bekommen eine feste, am Bauch silbrig glänzende Haut und große Augen. Sie beginnen nun die Laichwanderung (katadrome Wanderung) ins Meer. Die Verdauungsorgane bilden sich zurück und machen den sich kräftig entwickelnden Geschlechtsorganen Platz. Von August bis Oktober durchwandern die so genannten Blankaale die Ostsee und verschwinden nach der Passage der Nordsee in den Tiefen des Atlantiks. In der Sargassosee (Westatlantik), südwestlich der Bermudas, befindet sich in mehr als 200 Metern Tiefe das Laichgebiet der Aale. Auch wenn die Tiere noch nie bei der Fortpflanzung beobachtet wurden, so ist bekannt, dass die Elterntiere unmittelbar nach dem Ablaichen sterben. Aus den pelagischen (im freien Wasser befindlichen) Eiern schlüpfen die Larven und wandern in Gestalt eines Weidenblattes, im Verlauf von etwa 3 Jahren, mit dem Golfstrom nach Nordafrika und Europa. Vor dem Erreichen der Küstengebiete wandeln sich die so genannten Weidenblattlarven zu etwa 7 Zentimeter langen Glasaalen. Beim anschließenden Aufsteigen (Steigaale) ins Süßwasser, welches über die großen Flüsse gelingt, erhalten die durchsichtigen Glasaale ihre dunkle Färbung. Um sich in der Sargassosee (Westatlantik) fortpflanzen zu können, muss ein Aal aus deutschen Gewässern etwa 5000 bis 6000 Kilometer zurücklegen bis er dort angekommen ist. Das ist eine sensationelle Leistung!

Fische sind die am meisten von Krankheiten und Gefahren heimgesuchte Tiergruppe. Die Natur hat dafür einen Ausgleich geschaffen, indem sie die individuelle Nachkommenschaft in phantastische Dimensionen steigerte. Dadurch bleibt jede Art, trotz des enormen Selektiosdruckes, ihrer Umwelt erhalten. Doch durch die einschneidenden Umweltveränderungen und Überfischungen durch den Menschen besteht nun eine zunehmende Gefahr für den Fortbestand verschiedenster Arten.

In der Roten Liste der Rundmäuler, Süßwasser- und Wanderfischarten Mecklenburg-Vorpommerns (2002) wurde der Aal als gefährdete Fischart eingestuft. Obwohl er flächendeckend vorkommt und auch zu den wichtigsten Wirtschaftsfischen gehört, ist jedoch bekannt, dass dieses in erster Linie das Ergebnis intensiver Besatzmaßnahmen in den Binnengewässern ist. In den Küstengewässern, wo es keine Besatzmaßnahmen gab, ist ein lang anhaltender Trend rückläufiger Aalerträge (seit nunmehr über 30 Jahren um über 90%) zu verzeichnen. Dieses beleuchtet die wahre Situation, da diese Fänge vorwiegend auf dem natürlichen Nachwuchs basieren.
Das äußerst geringe Niveau einwandernder Glasaale weißt auf ein massives Reproduktionsproblem hin. Die Ursachen für dieses Reproduktionsproblem sind vielfältig. Auf Grund der großen räumlichen Verbreitung, während seines außergewöhnlichen Lebenszyklusses, ist der Europäische Aal zahlreichen direkten oder indirekten negativen Einflüssen durch den Menschen ausgesetzt. So werden vorrangig an der südwesteuropäischen Küste junge Glasaale in großen Mengen gefangen und zu über 50% in den asiatischen Raum exportiert. Die Nachfrage ist in den letzten Jahren stark gestiegen, da die eigenen Bestände des Japanischen Aals (Anguilla japonica) stark zurückgegangen sind und Glasaale dort als Delikatesse gelten. Schätzungensweise wurden zwischen 1995 und 2005 etwa eine halbe Milliarde lebende Glasaale pro Jahr von der EU nach Asien, vor allem nach China, Korea und Japan exportiert. Preise, welche bis zu 500 Euro pro Kilogramm Glasaal betragen, zeigen, welchem kommerziellen Druck die Europäischen Aalbestände ausgesetzt sind.
Auch in mitteleuropäische Länder werden Glasaale nicht nur zum Zweck künstlicher Besatzmaßnahmen exportiert. Die europäische Aalproduktion in Aquakulturanlagen übersteigt bereits die Versorgung des Marktes mit Wildfängen. Durch den Fang und Export der Glasaale gehen jedes Jahr enorme Mengen Aal dem natürlichen Kreislauf zur Reproduktion verloren.
Die sich verändernden Strömungsverhältnisse im Nordatlantik sind durchaus auf indirekte negative Einflüsse durch den Menschen zurückzuführen. Auch wenn die Auswirkungen auf den Europäischen Aal noch nicht umfassend erforscht sind, so wird davon ausgegangen, dass sich der Golfstrom in den letzten Jahren von der europäischen Küste wegverlagerte und somit ein Erreichen der Küste für die Glasaale maßgeblich erschwert ist. Es wird vermutet, dass ein erheblicher Teil der Glasaale an Europa, mit dem Golfstrom, gewissermaßen vorbei treibt und somit ebenfalls verloren geht.

Ein Bericht von WWF Deutschland weist darauf hin, dass eine Arbeitsgruppe des Internationalen Rates zur Untersuchung der Meere (ICES) 2006 einen dramatischen Bestandseinbruch des Europäischen Aals fast im gesamten Verbreitungsgebiet ermittelt hat. Bei einer Untersuchung der Glasaalbestände sind bereits zwischen 1980 und 1999 in 19 Flüssen aus 12 verschiedenen Ländern durchschnittliche Rückgänge von 95% bis 99% festgestellt worden.

Neuartige Krankheiten und Parasiten tragen ebenfalls zur Gefährdung der europäischen Aalbestände bei. Ein aus dem asiatischen Raum eingeschleppter Schwimmblasenwurm (Anguillicola crassus), ein Parasit aus der Gruppe der Nematoden (Rund- oder Fadenwürmer), wird als Larve vom fressenden Aal aufgenommen. Im Aal entwickelt sich der Wurm und wandert in die Schwimmblase. Die Schwimmblase wird geschädigt und kann ihre Funktion nicht mehr erfüllen. Dieses hat vor allem negative Auswirkungen für die Abwanderung ins Meer (zu den Laichgebieten). Ein schwereloses Schwimmen über die vielen tausend Kilometer wird maßgeblich erschwert und der Aal verbraucht ein Übermaß an Energie. Ein Verenden auf Grund von Kraftmangel ist dadurch möglich, noch bevor das Laichgebiet erreicht ist.

Wegen der großen wirtschaftlichen Bedeutung werden die Aalbestände in Deutschland durch künstliche Besatzmaßnahmen gestützt. Andernfalls würden sie noch stärker schwinden, als ohnehin schon. Ursachen für den Mangel an Jungaalen in den Binnengewässern sind auch die Gewässerverbauungen, vor allem größerer Flüsse. Zwar zeichnet sich der Aal durch ein extrem zähes Wanderverhalten aus, doch große Staustufen können häufig nicht überwunden werden. Bei der Abwanderung ins Meer werden die Blankaale in großer Zahl Opfer der Turbinen der Wasserkraftwerke.
Auch Giftstoffe, die besonders in den vergangenen Jahren in die Flüsse gelangten, schädigen Aale. Der Aal nimmt sie mit seiner Nahrung auf und reichert sie dadurch in seinen Fettvorräten an. Beim Umbau seines Körpers (vor der Laichwanderung) gelangen diese Giftstoffe in die Gonaden und verhindern möglicherweise eine Reproduktion.

Regionale Überfischungen der Aalbestände, in Form ausgewachsener Speisefische, tragen ebenfalls zu einem Bestandsrückgang bei. Die starke Nachfrage einerseits und die immer geringer werdenden Besatzmaßnahmen andererseits, auf Grund erheblich steigender Preise für Satzaale, lassen die Vorkommen in den Binnengewässern sinken.

Über Fangbeschränkungen wird vielerorts diskutiert, doch die Vielzahl an Ursachen zeigt, dass das Problem des massiven Rückgangs der Aalbestände nicht regional an einer Maßnahme festgemacht werden darf. Nur mit überregionalen, ja auch globalen Lösungen, hat der Europäische Aal eine Zukunft. Sollte es nicht gelingen Lösungen zu finden und kurzfristig umzusetzen, ist der Europäische Aal schon in wenigen Jahren stark gefährdet.

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